Sonntag, 25. März 2012

Szene 4: Nacht

Nun taucht auch Faust selbst auf und wie ich bereits angenommen habe, spielt auch in dieser Szene der Zusammenhang zwischen Mensch und Wissenschaft eine tragende Rolle.
In den Versen 355-385 wird deutlich, dass Faust eine hochgebildete Person ist und viele verschiedene Wissenschaften studiert hat ("Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie! Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.", V. 355-357).
Doch trotz seiner hohen Stellung im wissenschaftlichen Bereich, denn es scheint fast so, dass man zu seiner Zeit nicht gelehrter hätte sein können als Faust es beschreibt, und seiner Verantwortung, die er als Lehrer gegenüber seinen Schülern trägt, bedauert Faust, dass er noch immer zu wenig weiß (V.358-359; V.371- 373).
Er beklagt weiterhin, dass ihm sein ganzes Wissen nicht weiterbringt im Leben, da er weder reich ist, noch hohes Ansehen genießt (V.374-375) und seine Klugheit ihm zudem seine Lebensfreude genommen zu haben scheint (V.370).
Schließlich beschließt Faust sich "der Magie zu ergeben" (V.377), da er ein Leben, in dem er ewig nach Erkenntnis strebt, die trotz allem nie vollendet sein wird, als sinnlos erachtet.
Im ersten Abschnitt dieser Verse nutzt Goethe sprachliche Mittel, um das außergewöhnlich gute Studium Fausts als belanglos und überflüssig erscheinen zu lassen. Dies wird zum einen durch die Aufzählungen der Wissenschaften (V. 355.356) also auch durch den Ausruf "ach!" (V. 354) und die Aussage "Und bin so klug als wie zuvor" (V. 359) erzeugt. Um Fausts schwierige und unglückliche Situation sprachlich zu unterstreichen, sind zu Beginn der Szene "Nacht" Wörter verwendet worden, die starke Emotionen wiedergeben ("plagen", V.368; "alle Freud entrissen", V.370). Der Vergleich mit dem Hund (V.376), mit dem Faust hier zeigt, dass er nicht einmal diesem seine Lebenssituation wünscht, verstärkt den Eindruck, dass sich Faust als Opfer der endlosen Suche nach gesättigter Erkenntnis sieht und sich selbst für seine Position bemitleidet.

Prolog im Himmel

Diese dritte Szene im Drama wirkt auf mich wie eine Art Grundlage für den weiteren Verlauf des Romans.
Das schließe ich aus verschiedenen Gründen: Zunächst wird in der Szene "Prolog im Himmel" eine Diskussion zwischen dem Herren und Mephistopheles geführt, die um das Wesen des Menschen kreist. Daraus kann man ableiten, dass die Frage, ob der Mensch gut oder böse ist, auch im weiteren Verlauf im Fokus der Handlung bleibt.
Des Weiteren wird bereits auf den Charakter Fausts eingegangen, der, wie der Titel vermuten lässt, die Hauptfigur der Tragödie ist.
Schließlich wird am Ende der Szene ein Pakt zwischen dem Herren und Mephistopheles geschlossen, dessen Ausgang vermutlich ebenfalls eine zentrale Rolle im Roman spielen könnte ("Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren", V.312)

In der Diskussion werden zwei Haltungen bezüglich des menschlichen Wesens eingenommen, die am Schluss am Beispiel Fausts konkretisiert werden.
Mephistopheles ist hierbei der Ansicht, dass der Mensch von Grund auf schlecht ist und seine Vernunft nicht nutzt, um ein höher entwickeltes Wesen zu werden, sondern nur, um sich noch tierischer und gieriger  als jedes Tier (V. 285 ff.) verhält und sich ohne ersichtliche Ursache in ständiger Unzufriedenheit befindet (V.297).
Dazu steht die Meinung des Herren im starken Kontrast, da er das Streben des Menschen nicht als ein unersättliches "immer mehr wollen" ansieht, sondern als die reine Sehnsucht nach Erkenntnis ("Es irrt der Mensch so lang er strebt.",V.317). Damit versucht er zu verdeutlichen, dass der Mensch ein vernünftiges und vor allem gutes Wesen ist.
Im Bezug auf Faust behauptet Mephistopheles, dass er in Faust das von ihm beschriebene, schlechte Verhalten des Menschen hervorrufen kann, da er die Macht des Bösen als höher ermisst als die des Guten.
Der Herr besteht schließlich auf seine Ansicht und ist daher überzeugt, dass Faust zu klug und tiefgründig ist, um sich von Angeboten in eine schlechte Lebensführung treiben zu lassen. 
Nachdem ich nun Sekundärliteratur zu Goethes "Faust" hinzugezogen habe (Oldenbourg, Textnavigation für Schüler, Johann Wolfgang Goethe: Faust I) kann ich die erste Szene der Tragödie "Zuneigung" auch zeitlich einordnen, sodass der Dichter sich hierbei nicht auf den Schreibprozess von Faust I, sondern auf den Drang, nach Beendigung dieses ersten Dramas, einen weiteren Teil hinzuzufügen, bezieht.
Dennoch sehe ich meine vorausgegangene Interpretation als passend an, sodass meine Empfindungen zu der ersten Szene die gleichen bleiben!

Freitag, 23. März 2012

Mein Leseprozess beginnt...

Ich habe nun damit begonnen, die erste Szene von Goethes "Faust" zu lesen.
Darin gibt der Autor Auskunft über seinen Schreibprozess des neu entstandenen Werkes, indem er auf eine Phase der Schreibblockade und dessen Aufflösung eingeht. Nebenbei erfährt man aber auch einiges zu seiner eigenen Einschätzung des Werks und damit auch zu einigen Gedanken Goethes über sich selbst.
Mein erster Eindruck von dem autobiografischen Vorwort des Autors mit dem Titel "Zueignung" setzt sich aus verschiedenen Gedanken zusammen:
Ich empfinde Goethes Gedanken einerseits als Anregung, mit dem Werk zu beginnen, da er verdeutlicht, sich sehr ausführlich und persönlich mit der Handlung, besonders aber mit den Figuren des Dramas auseinandergesetzt zu haben ("Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten", V.5) und da die Arbeit an "Faust" auf Goethe selbst positive Auswirkungen gehabt zu haben scheint ("Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert",V.7).
Aber ich muss auch zugeben, dass ich es eher als "hereingesteigert" wahrnehme, wenn ein Dichter sein Leben von einem unvollendeten Drama derart abhängig macht ("Ein Schauer fasst mich, Träne folgt den Tränen",V. 29).
Vielleicht entsteht das aber auch nur aus der Erfahrung heraus, dass es in der heutigen Zeit für einen Künstler und erst recht für einen Mann unpassend ist, seinen Emotionen derartigen Freiraum zu geben. Schließlich will auch ich beim Lesen Empfindungen, Mitgefühl mit den Figuren und die Wahrnehmung einer bestimmten Atmosphäre entwickeln. Wenn also nicht einmal der Autor von seinem Werk eingenommen wird, wie sollte es so der Leser werden?
Schlussendlich stellt sich mir aber dennoch die Frage, ob es sich hierbei wirklich um eine autobiografische Reflexion handelt, da die Reaktionen des Dichters auf die Wiederkehr seiner Gedanken zum weiteren Verlauf der Handlung doch sehr überzogen erscheinen und ich stelle mir die Frage, ob er vielleicht einfach genau das erreichen wollte, was sich in meinen Eindruck immer wieder zeigt: Eine geeignete Exposition schaffen, von der aus der Leser mit Begeisterung sein Drama zu lesen beginnt und vor dem Hintergrund von Goethes Empfindungen auch selbst stärker an der Tragödie teilnimmt.
Nach dieser Szene bleibt mir nur zu hoffen, dass mich das Drama nach dieser Einführung nicht enttäuscht und das ich mich wirklich, wie auch Goethe, in die Tragödie hineindenken kann!